17.01.2021

Gedanken zum Weltreligionstag

Im Quran - dem heiligsten Text der Muslime - heißt es: „O ihr Menschen! Wir erschufen euch von einem männlichen und einem weiblichen Wesen und machten euch zu Völkern und Stämmen, damit ihr einander kennen lernt.“ Sure 49,13.

Erstellt von Dr. Ronny Valdorf

Ich mag diesen Gedanken sehr. Menschen sind unterschiedlich und in unterschiedlicher Ausprägung mit männlichen und weiblichen Anteilen ausgestattet. Darüber hinaus bilden Menschen: "Völker", "Stammesgruppen", "Religionsgemeinschaften" ect. Die Menschheit ist bunt und vielfältig. Und der Quran-Vers sieht darin eine Chance. Wo Dinge unterschiedlich sind, können sich Menschen ihre Traditionen und Prägungen zeigen. Menschen können sich kennen lernen und das wird nicht langweilig sein.

Es war noch nie so einfach, Religionen, Philosophien und Weltanschauungen kennen zu lernen. Brauchbare Zugänge und Einstiege zu ganz unterschiedlichen (religiösen) Traditionen sind im Internet nur wenige Klicks entfernt und jede mittelgroße Leihbücherei bietet einen Zugang zu Texten und anderen Medien, von denen die Gelehrten vergangener Tage nur zu träumen wagten. Darüber hinaus war es noch nie so einfach, Religionen nicht nur zu studieren, sondern ins lebendige Gespräch mit Gläubigen zu kommen. Allein in Leipzig gibt es über 70 Religionen und spirituelle Gemeinschaften. Das sind Startbedingungen, die für Menschen noch vor 100 Jahren unvorstellbar waren.

Es gibt keine Pflicht, sich kennen zu lernen! Ich werde nicht von der Polizei verhaftet und dem Richter vorgeführt, wenn ich mich nicht für die Ansichten meiner Mitmenschen interessiere, ganz gleich ob sie religiös geprägt sind, oder nicht. Man ist als Einzelperson und auch als Gemeinschaft nicht moralisch verkommen, wenn man sich nicht für interkulturellen Dialog interessiert. Man ist dann nicht etwa böse, man ist dann einfach dumm! Denn dumm ist es, die Chancen nicht zu ergreifen, die sich im globalen Dorf des 21. Jahrhunderts bieten: Austausch. Vertiefung. Gegenseitige Ergänzung und Korrektur. Fusion. Entwicklung.

Ich selbst stamme aus einem nicht-religiösen Elternhaus. Meine Schwester ist Muslima, ich selbst gehöre zur recht bunten christlichen Gemeinschaft. Ich habe das große Glück, nicht aus einer Tradition allein leben zu müssen. Ich durfte und darf viele unterschiedliche Zugänge zur Welt und zu Gott kennenlernen. Das ist ein unsagbarer Schatz. Die Begegnung mit vielfältigen religiösen Vorstellungen und philosophischen Systemen haben mich bereichert und inspirieren mich. Sie helfen mir, mich immer wieder selbst zu hinterfragen, alles zu prüfen und das für den Moment jeweils Beste zu behalten. 

Es gibt viele Dinge, die man an real existierenden Religionen berechtigt kritisch sehen kann. Diese Tatsache darf an einem Tag wie dem heutigen um die Erinnerung ergänzt werden, dass im großen Feld der Religionen ganz wunderbare Erzählungen über "Gott und die Welt" zu finden sind. Und diese sind es wert, sich von ihnen verzaubern zu lassen. Vielleicht lassen Sie sich heute inspirieren, eines der vielen "Zauberbücher" aufzuschlagen. Dann hätte der Weltreligionstag, der von der Religionsgemeinschaft der Bahai eingeführt worden ist, seinen guten Sinn erfüllt.

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Ronny Valdorf

Dr. Ronny Valdorf

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